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Identität und Dissoziation


03. November 2018 - Beginn: 10:00


Der Identitätsbegriff ist mit der alternativen Klassifikation im DSM-5 ins Zentrum der Definition von Persönlichkeitsstörungen gerückt. Identität beschreibt das Erleben der eigenen Person als einzigartig, mit klaren Grenzen zwischen sich und anderen, eine Stabilität des Selbstwerts und Akkuratheit der Selbsteinschätzung sowie die Fähigkeit eine Reihe von Emotionen zu erleben und zu regulieren. Dissoziative Phänomene stellen eine Störung der Identität dar. Patienten mit Borderline-Störung zeigen beispielsweise eine gestörte Identität in Form belastungsabhängiger dissoziative Symptome.

In einem Übersichtsvortrag wird Prof. Klaus Hurrelmann aktuelle Ergebnisse der Sozialisationsforschung bei Kindern und Jugendlichen berichten; die Ursachen von nicht gelingenden Entwicklungsaufgaben und gestörter Identität analysieren und aus dieser Analyse Vorschläge für präventive und therapeutische Ansätze ableiten.

Ziel der klinischen Vorträge soll die praktische Bedeutung gestörter Identität und Dissoziation für die Diagnostik und Therapie von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen sein. Prof. Stephan Doering wird die psychodynamische Perspektive gestörter Identität und psychotherapeutischen Implikationen darlegen. Dr. Gerhard Zarbock wird eine verhaltenstherapeutische Sicht auf gestörte Identität und Behandlungsoptionen erläutern

Prof. Carsten Spitzer wird die psychodynamische Perspektive auf Bindung und Dissoziation und deren psychotherapeutischen Implikationen erörtern. Privatdozentin Dr. Anne Dyer wird den Umgang mit dissoziativen Symptomen in der Verhaltenstherapie erläutern.

Anhand eines Fallbeispiels wollen wir abschließend mit Ihnen und den Referenten Therapieoptionen von gestörter Identität und Dissoziation bei Persönlichkeitsstörungen diskutieren. Die Moderation wird Prof. Thomas Fydrich übernehmen.

Die Veranstaltung ist wie jedes Jahr durch die Psychotherapeuten­ kammer zertifiziert.

Wir freuen uns auf Sie!

Unser aktueller Flyer


Therapeutische Strategien der DBT-PTSD im Umgang mit dissoziativen Phänomenen
AnneDyerPatienten mit schweren traumatischen Erfahrungen in der Kindheit leiden neben einer Posttraumati- schen Belastungsstörung (PTBS) häufig unter vielfältiger dissoziativer Symptomatik, wie beispielsweise Derealisations-, Depersonalisationserleben oder dissoziativer Amnesie. Insbesondere in emotional be- lastenden Situationen nehmen dissoziative Symptome zu. Solch eine emotional belastende Situation kann eine Auseinandersetzung mit traumatischen Erinnerungen, auch im therapeutischen Setting, sein. Sind die Patienten in einem dissoziierten Zustand, werden keine neuen oder korrektiven Lernerfahrun- gen in das Gedächtnis integriert. Eine in dissoziativen Zustand durchgeführte Therapie oder gar Exposi- tion zeigt damit nicht die gewünschten Effekte. Zur Behandlung einer PTBS wird in den Richtlinienver- fahren jedoch eine Auseinandersetzung mit traumatischen Erinnerungen angestrebt. Die Dialektisch Behaviorale Therapie der Posttraumatischen Belastungsstörung (DBT-PTSD nach Bohus, Dyer, Priebe, Steil) hat es sich zum Ziel gemacht, Patienten mit PTBS nach Gewalterfahrung in der Kindheit mit schwerer komorbider Symptomatik wie z.B. Dissoziationen eine Behandlung ihrer Symptomatik zu er- möglichen. Hierfür ist auch eine Auseinandersetzung mit traumatischen Erinnerungen notwendig. Aus diesem Grund fokussiert die DBT-PTSD in der Vorbereitung der Expositionsphase auf die wichtigsten Meidungs- und Escapestrategien, worunter auch dissoziative Symptomatiken zählen. Gleichzeitig bietet sie Methoden, auch unter hoher emotionaler Belastung Traumaexpositionen durchzuführen. Im Zentrum der skillsbasierten Exposition steht dabei die Konfrontation mit dem als maximal belastend erlebten Er- eignis und den damit verbundenen Emotionen (z.B. Hilflosigkeit, Erniedrigung, Ohnmacht, Ekel). Das multimodale kognitiv-behaviorale Behandlungskonzept der Dialektisch-Behavioralen Therapie wurde in einer randomisierten Studie empirisch untersucht.
PD Dr. Anne Dyer

Bindung, Dissoziation und Identität
CarstenSpitzerNach einer konzisen Einführung in die Bindungstheorie mit Fokus auf dem Konzept der mütterlichen Feinfühligkeit werden die Zusammenhänge zwischen Bindung und dissoziativen Symptomen näher be- leuchtet, insbesondere die phänomenologischen Ähnlichkeiten zwischen desorganisierter Bindung und Dissoziation sowohl im Kindesalter auch bei Erwachsenen. Vor dem Hintergrund einer Begriffsbestim- mung des Konzeptes der "Bindungstraumatisierung" werden anschließend Prädiktoren von Bindungs- desorganisation und die Mechanismen der transgenerationalen Transmission von Dissoziation anhand empirischer Befunde aus Langzeitstudien erläutert. Die Hypothese, dass eine biographisch frühe Bin- dungsdesorganisation den zentralen Vorläufer späterer dissoziativer Zustände und Störungen im Er- wachsenenalter darstellt, wird mit Überlegungen zu den inneren Arbeitsmodellen bindungstraumatisier- ter Kinder plausibilisiert und grundsätzlich denkbare Entwicklungslinien desorganisier gebundener Kin- der aufgezeigt. Anhand eines videodokumentierten Fallbeispiels eines jungen Mannes mit einer disso- ziativen Amnesie werden die vorherigen Ausführungen illustriert. In der abschließenden Diskussion der Kasuistik wird auf die Relevanz dissoziativer Mechanismen für die Identität und Identitätsbildung einge- gangen und klinisch-therapeutische Implikationen erörtert.
Prof. Dr. Carsten Spitzer

Verhaltenstherapie und Identität - ein pragmatisch-therapeutischer Zugang
GerhardZarbockLeide ich an einer psychische Störung kann das Verständnis meiner Person als Subjekt mit eigenem Willen, mit (Selbst-)kontrolle und Selbstwirksamkeit zentral in Frage gestellt sein. Im Vortrag wird es darum gehen, dass Konzept Identität in einem erweiterten Grundbedürfnismodell zu verorten und das 5-Pfeiler Modell der Identität ( Selbstpräsenz-Erfahrung, Selbstkontrolle, Selbsterzeugung von Realität, Selbst-Identifikation und Selbst-Umwelt-Einbindung) vorzustellen. Die Anwendungen eines so verstan- denen Identitätskonzeptes in der Psychoedukation, bei der therapeutischen Verbesserung von Selbstwert- und Identitätserleben und bei Identitätskonflikten des Therapeuten selbst werden fallbezogen diskutiert.
Dipl.-Psych. Dr. phil. Gerhard Zarbock

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Soziale und psychische Belastungen von Kindern und Jugendlichen - Wie groß ist die Gefahr von Störungen der personalen und sozialen Identität?
KlausHurrelmannDie aktuellen Kinder- Jugendstudien und die Ergebnisse aus der Bildungs-, Generations- und Sozialisa- tionsforschung machen deutlich, dass die große Mehrzahl der Angehörigen der jungen Generationen trotz erheblicher Anspannungen und Belastungen aus dem Leistungs-, Freizeit- und Medienbereich ihre Entwicklungaufgaben ohne erhebliche psychische Beeinträchtigungen bewältigt. Etwa einem Fünftel der Angehörigen der jungen Generation gelingt das aber nicht. Bei ihnen häufen sich Einschränkungen und Störungen sowohl der körperlichen als besonders auch in der psychische Gesundheit. Der Vortrag geht den Ursachen dieser Entwicklung nach und leitet Vorschläge für präventive und therapeutische Ansätze in Psychiatrie und Pädagogik ab. Der Vortrag geht den Ursachen dieser Entwicklung nach und leitet Vorschläge für präventive und (psycho-) therapeutische Ansätze in ambulanter und stationärer Versorgung, sowie in der Pädagogik ab.
Prof. Dr. Klaus Hurrelmann

Identität aus Psychodynamischer Perspektive
StephanDoeringIdentität entwickelt sich in Beziehungen, genauer gesagt aus der Integration von frühen Beziehungser- fahrungen, aus denen bei einer ungestörten Entwicklung reife, ganzheitliche innere Bilder von wichtigen anderen Menschen und von sich selbst entstehen. Vor Vollendung des dritten Lebensjahres können nur Teilaspekte des Selbst und des Gegenübers erlebt und verinnerlicht werden, die dann allmählich inte- griert werden. Unter schwierigen Bedingungen mit u.U. traumatisierenden Beziehungserfahrungen, kann der letzte Integrationsschritt ausbleiben, was dem Schutz der inneren Stabilität und der äußeren Funktionsfähigkeit dient. Die Folge ist allerdings eine sog. Identitätsdiffusion, wie wir sie bei erwachse- nen Borderline Patienten finden – ebenso bei allen anderen Patienten mit einer stark beeinträchtigen Funktion der Persönlichkeit, wie sie auch im DSM-5 enthalten ist. Typisch für diese Borderline Persön- lichkeiten ist die sog. Spaltung, d.h. das getrennt Halten von positiven und negativen Aspekten des Selbst, des anderen und der Beziehung überhaupt. Das resultierende Schwarz-weiss-Sehen, das Alles- oder-nichts-Erleben – oder anders ausgedrückt: die Mentalisierungsschwäche – sind die klinischen Ma- nifestationen, die in der Folge zu zwischenmenschlichen Problemen führen.
Prof. Dr. med. StephanDoering


Veranstaltungsort

Max-Kade-Auditorium der Freien Universität Berlin
Henry-Ford-Bau
Garystraße 35
14195 Berlin

Tram:
U-Bahn: U3 U-Bahn-Station Dahlem-Dorf
Bus: X83, M11

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